Eine der wichtigsten Herausforderungen für die meisten Kandidaten stellt die Gehaltsvorstellung dar. Dies stemmt daher, dass im Regelfall diese geforderte Einschätzung ohne Kenntnis des eingeplanten Gehaltsrahmens und verschiedener weiterer Faktoren vorgenommen werden soll, an denen Sie sich orientieren können. Neben den inhaltlichen Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle sind z.B. noch folgende Themen zu klären: Wie sehen die Arbeitszeiten aus? Wie sieht die genaue Verantwortung bei Führungspositionen aus? Wieviel Erfahrung bringen Sie für die spezifische Position mit? Inwieweit ist entsprechend Ihr Marktwert realistisch? Wie werden Überstunden gehandhabt? Welche Möglichkeiten gibt es hinsichtlich Remote bzw. Home Office? Wie hoch sind die Pendelkosten? Ist eine Zweitwohnung nötig?
Das Thema aktuelles Gehalt haben wir bereits in einem anderen Artikel besprochen, daher widmen wir uns hier rein dem Gehaltswunsch. Die Herausforderung, welche sich stellt: Wie können Sie Ihr Jahresgehalt optimieren? Ein zu niedriges Gehalt erhöht die Chancen, die Stelle zu bekommen, könnte Sie aber mittel- bis langfristig unglücklich machen. Ein zu hohes Gehalt senkt die Chancen, könnte aber zur langfristigen Zufriedenheit beitragen. Zusätzlich steigen die Erwartungen und dementsprechend der Druck, der auf Ihnen beim Start in der neuen Position lastet. Marktüblich sind vor den Gehaltsverhandlungen 10% – 15% on top Ihres aktuellen Bruttos. Eine realistische Gehaltsrange nach erfolgter Verhandlung ist im Regelfall letztendlich ein höheres Gehalt von 5% – 10%. Es gibt selbstverständlich hierbei Ausreißer – egal ob nach oben oder nach unten – in Abhängigkeit von der individuellen Konstellation aus Wechselmotivation und Kriterien der neuen Stelle.
Bereiten Sie die Basics vor
Alleine über die Vorbereitung und Kalkulation der idealen Gehaltsvorstellung könnte man zig einzelne Artikel schreiben. Diese ist von so vielen verschiedenen Faktoren abhängig, dass es de facto nicht möglich ist, eine pauschale best practice zu nennen. Grundsätzlich bietet es sich für Sie daher an, einen Sparringpartner von außen dazu zu holen. Seien es KollegInnen mit einer vergleichbaren Expertise, sei es eine Personalberatung, die auf Ihren Markt spezialisiert ist.
Der Einfachheit halber führe ich anbei daher einige Punkte auf, die zu den absoluten Minimalanforderungen gehören. Nur der Vollständigkeit halber sollten Sie selbstverständlich Ihr Brutto Jahresgehalt formulieren und nicht das Jahresnetto:
- Durchrechnen: Was sind Ihre laufenden Kosten pro Monat? Wieviel benötigen Sie darüber hinaus? Muss das Gehalt fix sein oder können auch variable Anteile dazugerechnet werden?
- Definieren Sie Ihr Wunschgehalt und das Minimumgehalt: Basierend auf dem zuvor erstellen Kostenmodell sollten Sie eine Basis haben, um Ihre Gehaltsvorstellung näher zu formulieren. Wichtig ist hierbei, dass Sie ein definitives Minimum für sich festhalten, ab dem eine Position unabhängig von den anderen Rahmenkriterien keinen Sinn für Sie ergibt.
- Berücksichtigen Sie weitere Benefits: Neben dem reinen Brutto gibt es erfahrungsgemäß weitere Zusatzleistungen, die Einfluß auf die Attraktivität einer Position haben. Halten Sie fest, welche für Sie bei einem Jobwechsel von Interesse sind. Einige Beispiele hierfür wären: Wochenstunden, Anzahl Urlaubstage, Home Office Möglichkeiten, Firmenwagen, Bahnticket, KiTa-Plätze, Altersvorsorge, (bei Start-Ups) Auszahlung bei Marktkapitalisierung, vermögenswirksame Leistungen, Prämien, Urlaubsgeld / Weihnachtsgeld oder auch Weiterbildungen und Karrieremöglichkeiten
Achten Sie auf den Zeitpunkt und die Intention
Einen wichtigen Faktor hinsichtlich der Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung stellt der Zeitpunkt im Bewerbungsprozess dar. Dieser ist ein Indikator dafür, welches Ziel mit der Frage erreicht werden soll. Entsprechend sollten Sie sich hinsichtlich Ihrer Gehaltsangabe an diesen Anzeichen orientieren. Sie können grob folgende Absichten in den jeweiligen Phasen annehmen:
- Die Gehaltsvorstellung wird mit der Bewerbung gefordert:
Egal, ob auf dem Bewerbungsformular ein Feld dafür erstellt wurde oder die Gehaltsindikation im Anschreiben oder den Bewerbungsunterlagen gefordert wird, besteht zu diesem Zeitpunkt das primäre Ziel des Unternehmens daraus, Kandidaten mit einer zu hohen Gehaltsvorstellung auszusortieren und Kandidaten bei einer zu niedrigen Gehaltsvorstellung darauf festzulegen. - Die Gehaltsvorstellung wird früh im Vorstellungsprozess abgefragt:
Ob in einem ersten Telefongespräch oder bei dem ersten persönlichen Gespräch, ist das Ziel hier dasselbe wie im ersten Fall. Es geht darum, den Pool an Bewerbern zu verkleinern, der in die finale Runde kommt. - Das Wunschgehalt wird spät im Bewerbungsprozess erfragt:
Dies ist im Regelfall bei ernsthaftem Interesse der Fall. In den meisten Fällen geht es darum, in die konkrete Verhandlung zu starten.
Vermeiden Sie bei Aussortierfragen konkrete Zahlen
Wenn Sie in den ersten beiden Szenarien gefragt werden, sollten Sie nach Möglichkeit tunlichst vermeiden, sich direkt festzulegen. Auch wenn einige Ratgeber der Meinung sind, dass eine Unterlassung der Gehaltsangabe im Anschreiben negativ ist, habe ich in der Praxis die Erfahrung gemacht, dass interessante Kandidaten mit genug Berufserfahrung nicht aus diesem Grund aussortiert werden.
Der Grund für meinen Ratschlag ist einfach: Es können eigentlich nur 2 Ergebnisse aus einer verfrühten Angabe im Bewerbungsschreiben resultieren. Entweder besteht die Gefahr, dassSie sich durch eine für Ihre Gesprächspartner gefühlt zu hohe Einschätzung in Relation zu Ihrer Qualifikation aus dem Bewerbungsprozess kegeln. Oder Sie verschenken bei einer niedrigen Gehaltsvorstellung wertvollen Verhandlungsspielraum für eine spätere Gehaltsverhandlung. Beide Varianten sind für Sie nicht hilfreich.
Darüber hinaus befinden Sie sich häufig zu diesem Zeitpunkt im Gehaltspoker in einer klar schlechteren Position, da Ihnen wichtige Details zu der Position fehlen. Sie werden also darum gebeten, Ihre Karten auf den Tisch zu legen, ohne dass Ihr potentieller neuer Arbeitgeber Ihnen das Gleiche gewährt. Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, ist dies eine Situation, die für Sie einen nicht unbedeutenden finanziellen Nachteil mit sich bringen kann.
Aus diesem Grund empfehle ich Ihnen, sich nicht festzunageln. Idealerweise umschiffen Sie die Angabe zunächst mit einer ausweichenden Formulierung: “Um das belastbar einzuschätzen, benötige ich noch mehr Informationen zu der Position, damit ich ein rundes Bild habe.”
Sollten Ihre Gesprächspartner darauf bestehen, bietet es sich für Sie an, zumindest für “Waffengleichheit” zu sorgen: “Meine Gehaltsvorstellung orientiert sich marktüblich an den Rahmenkriterien und Arbeitsbedingungen. Welche Gehaltsspanne haben Sie denn dafür angesetzt?”
Für den Fall, dass sie sich weigern, diese zu nennen, stellt sich aus meiner Erfahrung für Sie die Frage, inwieweit dies lauteres Verhalten eines Arbeitgebers darstellt. Dies sollten Sie definitiv bei der Beantwortung der Frage, ob die Position für Sie interessant ist, berücksichtigen. Denn wenn ein Unternehmen bereits mit Bewerbern so umgeht, stellt sich die berechtigte Frage, wie die Unternehmenskultur hinter den Kulissen des Bewerbungsprozesses ist, der im Regelfall das positive Aushängeschild eines jeden Arbeitgebers darstellen sollte.
Sollten Sie die Frage beantworten, tun Sie sich einen Gefallen und geben Sie eine große Gehaltsspanne an. Z.B. in dieser Form: “Abhängig von den Rahmenbedingungen liegt mein Gehaltswunsch bei 70.000,-€ bis 95.000,-€.” So halten Sie sich Spielraum zum Verhandeln offen. Sie können später immer noch konkretisieren, wenn Sie nähere Details zu der Position erfahren und einschätzen können, wie Sie diese finanziell abbilden würden. Starten Sie Sie ruhig am unteren Ende mit Ihrem Minimum oder etwas darunter. Dasselbe tun Ihre potentiellen Arbeitgeber bei der Gehaltsfindung für Positionen ebenfalls.
Im Verlaufe des weiteren Gesprächs können Sie dann begründen, wieso diese Position nicht bei Ihrem Gehaltsminimum liegt sondern ein höheres Jahresgehalt rechtfertigt. Legen Sie sich nie auf eine zu konkrete Zahl fest. Das kommt erst, wenn es in die Gehaltsverhandlung geht.
Setzen Sie in der Gehaltsverhandlung einen Anker
Anders sieht es aus, wenn Sie die Frage im finalen Gespräch erhalten. Hier ist es für Sie wichtig, einen konkreten Wert zu nennen. Eine Gehaltsspanne ist hierbei Ihren Interessen abträglich. Denn bei Nennung dieser werden Sie automatisch auf den niedrigsten Wert festgelegt.
Beispiel gefällig? Nehmen Sie an, Sie sind auf der Suche nach einem neuen Auto und gehen zu einem Autohändler. Auf dem Hof sehen Sie einen Wagen, der Ihren Vorstellungen entspricht und sämtliche Voraussetzungen erfüllt. Als Sie den Händler fragen, wo das Auto preislich liegt, antwortet er Ihnen: “Zwischen 35.000,-€ und 40.000,-€.” Welchen Preis würden Sie ihm bieten? Dasselbe Prinzip gilt bei der Gehaltsverhandlung.
Durch die Nennung eines genauen Betrags, der entweder Ihr Idealgehalt darstellt oder etwas darüber liegt, damit Sie ein Verhandlungspolster haben, nutzen Sie den Ankereffekt für sich. Sie machen es schwierig, ohne eine gute Begründung weit darunter zu landen. Aus demselben Grund sollten Sie die Initiative ergreufen und die erste Zahl nennen. Bei Nennung eines sehr niedrigen Gehalts von Seiten der Gesprächsteilnehmer wären ansonsten Sie in der Darlegungspflicht.
Bringen Sie Optionen ins Spiel
Ab der Nennung der Gehaltsvorstellung geht es in die Detailfragen. Gerade für diese ist es wichtig, dass Sie zuvor Ihr Minimumgehalt für sich definiert haben sowie für sich attraktive Benefits festgelegt haben. Sie machen es sich grundsätzlich leichter, wenn Sie bei Ihrer Gehaltsvorstellung direkt von Anfang an Ihren Verhandlungspartnern zwei oder drei Optionen an die Hand geben. Zum Einen möchte jeder Mensch gerne eine Wahl haben und vergleichen, zum Anderen zeigen Sie damit Ihre Verhandlungsbereitschaft für die Ausgestaltung des Arbeitsvertrags auf. Eine solche Option könnte z.B. sein: “Ich habe verstanden, dass bei dieser Position 3 Tage Home Office pro Woche möglich sind. Da dies meine Pendelkosten signifikant senken würde, könnte ich in diesem Fall anstelle von 84.500,-€ brutto Jahresgehalt auch auf 81.500,-€ heruntergehen.”
Sonderfall Personalberater
Eine besondere Variante gibt es darüber hinaus noch: Bei der Zusammenarbeit mit einem seriösen Personalberater, der auf Ihren Markt spezialisiert ist, können Sie viele dieser Punkte von Anfang an umgehen. Zum Einen kennt ein professioneller Headhunter die Gehaltsspanne, die ein Kunde für eine Position avisiert bzw. was für ein Brutto realistisch ist in Relation zu Ihrer Erfahrung. Zum Anderen entwerfe ich mit meinen Kandidaten konkrete Gehaltsstrategien, um einerseits Ihre Chancen auf eine Position zu maximieren, andererseits das erzielte brutto Jahresgehalt ebenfalls zu optimieren.
Wichtig ist hierbei, dass die Personalberatung Ihres Vertrauens speziell auf Ihre Nische fokussiert ist, um eine maximale Markttransparenz zu erzielen. Denn wie in vielen anderen Situationen gilt gerade bei der Gehaltsvorstellung: Information is king!
SAP Personalberater aus Leidenschaft seit 2007. Mit langjähriger Erfahrung, zig erfolgreich vermittelten Experten und tausenden geführten Interviews greife ich auf fundiertes Praxis Know-How zurück. Mein Fokus liegt auf SAP Positionen im Handel. In der Zusammenarbeit bevorzuge ich Transparenz und einen beratenden Ansatz, um meinen Kandidaten und Kunden einen nachhaltigen Mehrwert zu bieten. Neben der Arbeit verbringe ich viel Zeit mit meiner Familie und meinen kleinen Kindern. Entsprechend bekomme ich Panikattacken, wenn ich die Titelmelodie von “Paw Patrol” oder “Feuerwehrmann Sam” höre. Wenn darüber hinaus vom Tag noch Minuten übrig sein sollten, findet man mich häufig beim Lesen (meistens Science Fiction im Stil von John Scalzi, Neal Stephenson, Matt Ruff, Cixin Liu oder Andy Weir), beim Badminton oder in der Küche.